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                                                 Worringer Bahnhof

 

Seit über 150 Jahren besteht der Bahnhof in Worringen entlang der Eisenbahnstrecke Köln - Krefeld.Nachdem der Engländer James Watt 1768 die Dampfmaschine - anfänglich lediglich für den Steinkohlenbergbau - erfunden hatte, suchten viele Ingenieure nach Wegen, die Dampfenergie sonstig nutzbar zu machen. 1814 baute der Engländer George Stephenson das erste betriebsfähige wirtschaftliche Schienenfahrzeug, 1825 wurde in England die erste öffentliche Eisenbahnlinie eröffnet, 1835 die erste deutsche Eisenbahnstrecke Nürnberg - Fürth. Die von England bezogene Stephenson-Lokomotive, der „Adler“, übernahm hierbei abwechselnd mit Pferdegespannen den Personen- und Güterverkehr.

Seit 1833 bereiteten rheinische Unternehmer in einem Ausschuss unter Kölner Vorsitz die Gründung einer Eisenbahngesellschaft vor. Nach Einigung über die Streckenführung wurde 1837 die „Rheinische Eisenbahngesellschaft“ ins Leben gerufen und mit dem Bau des ersten Teilstücks begonnen. Am 2. August 1839 fuhr die erste Lokomotive vom Thürmchenswall nach Müngersdorf.

In Worringen konnte man diesen technischen Fortschritt am 15. Oktober 1855 bewundern, als die erste Lokomotive, die auf der Eisenbahnstrecke von Köln nach Neuss (später nach Krefeld) mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km in der Stunde pendelte, an dem Ort vorbeifuhr. Während des großen Eisenbahnbooms um 1870, als überall Schienenverkehrsnetze gebaut wurden, hatte man begonnen, diese zu verstaatlichen.                                             

Auszug aus den Protokollen der Worringer Bürgermeisterei:

 16. August 1855

 „Der Gemeinderat beschließt einen Antrag auf Schaffung eines Eisenbahnübergangs in der Höhe des Hackhauser Weges. Begründung: Der Landwirtschaft entstehen aus der jetzigen Lage Nachteile.“

11. September 1855

Der Gemeinderat beschließt, die Kommission für den Bau der Köln-Krefelder-Bahn gerichtlich zu zwingen, einen Übergang beim Hackhauser Weg herzustellen.“

17. März 1856

Der Gemeinderat beschließt, der Adelheid Cremerius den nicht mehr benötigten Rest des Kirchweges von Thenhoven zu überlassen. Bedingung: Sie tritt an die Kommission für den Bau der Köln-Krefelder-Eisenbahn das zur Errichtung eines Bahnhofes am Bergerhof benötigte Grundstück mit einem bedeutenden Preisnachlass ab. Auf die Wegebreiten von 2 Fuß, die sie für den Verbindungsweg (zum Bahnhof) abgeben muss, erhebt sie keine Geldansprüche.

Das ehemalige nicht mehr benötigte Gebäude des Bahnhofs Worringen war eines von mehreren ähnlichen Bauten, die die „Köln-Krefelder-Eisenbahngesellschaft“ 1860 errichten ließ. Der Holz- und Fachwerkbau zählte bis zum Abbruch im Jahr 1984 zu den ältesten Eisenbahneinrichtungen auf Kölner Boden. Dem Bahnhofsgebäude angegliedert waren eine Gaststätte und bis Ende 1870 eine Posteinrichtung. Der Bahnhofsvorsteher war zugleich Posthalter. Das erste Worringer Postamt wurde am 1. Januar 1871 in der Bergerstr. 53 (jetzige St-Tönnis-Straße) eröffnet.

Oft als „Westernbahnhof“ bezeichnet, hatte die Gestaltung des Worringer Bahnhofs wahrscheinlich einen ganz anderen Hintergrund als die Bauten, die zu Pionierzeiten im Westen Nordamerikas entstanden. Ein Direktor der „Köln-Krefelder-Eisenbahngesellschaft“ soll bei seiner Rundreise durch das zaristische Russland auf solche Bahnhöfe gestoßen sein. Diese gefielen ihm so gut, dass er ein solches Bauwerk im Bereich der Köln-Krefelder-Eisenbahnstrecke an verschiedenen Haltestellen nachbauen ließ. Ein Bahnhof gleichartigen Typs steht in Meerbusch-Osterath und ist heute noch in unversehrter Form zu bewundern.

                                        

Das Worringer Bahnhofsgebäude musste im November 1984 komplett mit Fahrkartenschalter, überdachtem Bahnsteig und Bahnhofsuhr der S-Bahnlinienführung von Chorweiler-Nord nach Neuss weichen und erhielt einen neuen Standort in Nippes. Nach der dortigen Grundsteinlegung 1988 wurden die Aufbauten innerhalb von 2 Jahren durch engagierte Denkmalschützer und Sozialarbeiter, die den Verein „Zug um Zug“ gründeten, mit finanzieller Unterstützung des „Evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte“ im Rahmen eines Selbsthilfeprojekts für arbeitslose Jugendliche an der Ecke Kempener Straße / Eisenachstraße wieder aufgebaut.

Die Übernahme der Köln-Krefelder und der Bonner Eisenbahn durch die „Rheinische Eisenbahngesellschaft“ im Jahr 1862 machte die Anlage einer Zentralwerkstätte in Nippes notwendig. Mit der Errichtung des Instandhaltungswerks begannen der wirtschaftliche Aufschwung und das rapide Wachstum der vor der Stadt Köln liegenden Orte. Der Ort Worringen hatte 1794 ca. 400, 1816 ca. 1.200, 1830 ca. 2.000, 1865 2.286, 1905 2.934 Einwohner.

Durch den Bau der Eisenbahnlinie Köln - Krefeld erhielten viele Einwohner Worringens Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten. Sie fanden Beschäftigung bei den Eisenbahngesellschaften oder in verschiedenen Fabriken in Köln, vor allem aber in der sog. „Blöö“ (Farbenfabrik) in Leverkusen (Bayer-Werke). So brachte die immer mehr um sich greifende Technisierung der Bevölkerung in aufsteigendem Maße einen höheren Lebensstandard.

Die Korbflechter versendeten wöchentlich mehrere Güterwagen voll mit Körben ins Umland. Weidenpflanzungen auf dem „Orth“ (Rheinwiesen zwischen dem alten Hafen und Rheinufer) gaben in reichem Maße das Rohmaterial für die Korbflechterei in Worringen, die als Haupt- und Nebenerwerb bis ins 20. Jahrhundert betrieben wurde. Die Kettenschmiede, an der Dornstraße gelegen, vergrößerte ihre Produktion und beschäftigte zum Ende des 19. Jahrhunderts etwa 60 bis 70 Arbeiter. Der Versand ihrer Produkte erfolgte in Körben, auch das gab der Korbflechterei neuen Auftrieb. Vor allem profitierten davon auch die Worringer Fischer, die sich nun während der Wintermonate als Korbflechter betätigen konnten.

Schon früh hatte man in Worringen erkannt, dass der tonhaltige Lehm des Worringer Bruchs ein vorzügliches Material für Dachziegel war. Die ansässigen Ziegelfabriken eroberten sich - begünstigt durch das immer mehr ausweitende Schienenverkehrsnetz - schnell ihre Absatzgebiete und erwarben in ganz Deutschland einen guten Ruf wegen ihrer ausgezeichneten Hohllochziegeln und der sog. „Biberschwänze“. Der erforderliche Lehm wurde anfänglich mit Pferdefuhrwerken, später mit Loren (Kippkarren), an der „Äädkuhl“ geholt, wo teilweise die Gräben heute noch erkennbar sind. War das Feldstück ausgeziegelt, also der Lehmrohstoff aufgebraucht, wurden oft auch die flachen Gruben aufgeschüttet und parzelliert als Garten und Bauland verkauft. Anfang 1970 stellte die letzte Worringer Ziegelei ihren Betrieb ein.

 

Manfred Schmidt, November 2012

Literaturquellen
Carl Dietmar: „Die Chronik Kölns“, Dortmund 1991

Toni Jägers: „Köln-Worringen in Geschichte und Geschichten“, Köln 1985

Josef Gödecke: „Worringen - Bild eines rheinischen Dorfes“, Köln 1970

Abbildungen HeimatarchivWorringen