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                                  Worringen im 18. Jahrhundert bis zur Franzosenzeit

 

Engagierte Heimatfreunde, insbesondere Josef Gödecke und Toni Jägers, verfassten mit viel Sachkenntnis umfassende Darstellungen über die Vergangenheit Worringens. Ein geschichtlicher Abriss über unseren Ort im 18. Jahrhundert fand jedoch bisher - mit Ausnahme vereinzelter Angaben aus den pfarramtlichen Büchern und dem Worringer „Boorbruch (Bauerbuch) - kein breites Spektrum in den Dokumentationen. Die Ausführungen schließen mit den Vereinbarungen von Utrecht 1713 / 14, die den spanischen Erbfolgekrieg beendeten und dem Rheinland Ruhe und Frieden für eine längere Zeit bis zum Einmarsch französischer Revolutionstruppen im Jahre 1794 brachten.                                                          

 Wie waren die Lebensverhältnisse im alten Worringen des 18. Jahrhunderts?

Die Zeit vom Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) bis zur „Französischen Revolution“ (1789 Sturm auf die Bastille) wird im Allgemeinen als Zeitalter des Absolutismus, die Verteidigung der Herrschaftsrechte gegen alle freiheitlichen Bestrebungen, bezeichnet. Der Westfälische Friede hatte endgültig die Territorialisierung und die kaum noch beschränkte Souveränität der Landesfürsten bestätigt.

Das Gebiet um Worringen gehörte bis zu den territorialen Neuordnungen in Auswirkung der „Französischen Revolution“ zum Kurfürstentum (Erzstift) Köln seit 1151, als Graf Gerhard von Jülich die Vogtei Worringen an die Kölner Domprobstei verkaufte, und größtenteils vom Amt Hülchrath verwaltet wurde. Nach einem Bericht von 1751 umfasste die „Herrlichkeit Worringen“ das Schloss Arff, 11 Gutshöfe im Besitz von Klöstern und Stiftungen (davon lagen 6 unmittelbar im Ort: Fronhof, Groß-, Dicker- und Vogtshof [dem späteren Pilgramshof] im Besitz des Domkapitels, Bergerhof im Besitz der Johanniterkommende St. Johann und Cordula sowie Krebelshof im Besitz des Stifts St. Kunibert), einen Gutshof der Armenverwaltung Köln und 133 Bauernhäuser, davon 54 Kotten. Letztere waren bewohnt von armen Fischern und Tagelöhnern, die in drückender Sorge um das tägliche Brot lebten. Die Unterkünfte der zum Fronhof gehörenden Abhängigen befanden sich im „Dickergässchen“, später als „Dicker Hütten“ oder „In der Hütte“ bezeichnet. Worringen hatte um 1800 ca. 400 Einwohner, die Religion war ausnahmslos katholisch.

Nachdem das Domkapitel die Eigenbewirtschaftung des Fronhofes aufgegeben hatte, ernannte es Amtsherren, welche die Herrschaft dort ausübten. Diese wiederum setzten einen Schultheißen (Scultetus = Gemeindevorsteher) ein, der die „Schuld zu heischen“, also die Abgaben einzufordern und an das Domkapitel abzuführen hatte. Dabei mussten die Abgaben von ihm auf alle „Einwohner“ gerecht verteilt werden, da Mitbürger in dürftigen Lebensverhältnissen nicht zu den Gemeindelasten herangezogen werden konnten.

Der Schultheiß saß außerdem der höchsten Gerichtsbarkeit vor. Daran erinnert noch heute ein über dem Fronhofstor eingemauerter Stein mit dem Bildnis des heiligen Petrus und den Schlüsseln als Sinnbild der Gerichtsstätte. Das Petrus-Relief und die Schlüssel deuten aber auch auf die Beziehung des Fronhofs zur Kölner Domkirche hin, deren Patron der heilige Petrus ist. Der Schultheiß übte die Gerichtsbarkeit nie allein aus. Er handelte und urteilte stets zusammen mit den einflussreichen Ortseingesessenen, den sog. „Scheffen“ (Schöffen), wobei er den Vorsitz bei den Verhandlungen führte und das Urteil verkündete.                                                        

Im Laufe des 18. Jahrhunderts vollzog sich in der Agrarwirtschaft allmählich ein Abbau der grundherrlichen Sonderrechte und führte übergangslos zu einem selbständigen Wirtschaftleben. Die Zersplitterung der Lehen unter gleichzeitiger Vermischung von Abhängigen und Freien verlangte eine Umgestaltung. Die Auflösung der Hofverbände ging dabei vielfach vom Grundherrn selbst aus. So löste im Jahr 1747 das Domkapitel seinen Hofverband in Worringen auf. Die Bauern verstanden es, diese Freiheiten zu nutzen und den Besitz zu mehren. Auf dem „Herrengeding“ am 30. Juni 1777 wurden Fron-, Groß- und Dickerhof als Schweidhöfe anerkannt. Die Schweidhalfen durften danach soviel Schafe überwintern, wie sie im Sommer ohne Schaden für andere ausweiden konnten. Dadurch wurden den Schweidhalfen besondere Acker- und Weiderechte zugestanden, womit aber gleichzeitig höhere Pflichten gegenüber der Gemeinde verbunden waren.Jahrhunderte lang blieb das Landschaftsbild Worringens unverändert. Das Ackerland bebaute man um 1800 noch, wie schon im frühen Mittelalter (bis 920), nach der Dreifelderwirtschaft. Die Ackergeräte waren unverändert geblieben. Die Felder der einzelnen Bauern lagen oft in der Gemarkung verstreut, was die Bodenbearbeitung erheblich erschwerte und den Ertrag minderte. In „normalen“ Zeiten trugen die Äcker, was man zum Leben brauchte.

Für die Viehhaltung bedingte man reichlich Weide- und Brachland, da der planmäßige Anbau von Futterpflanzen kaum bekannt war. Im Herbst war man gezwungen, ein Teil der Tiere zu schlachten, weil das Futter fehlte. In den Wintermonaten mangelte es an Frischfleisch, auf dem Tisch stand immer wieder Gesalzenes. Die Ernährung war in der kalten Jahreszeit sehr vitaminarm, was manche Mangelkrankheiten verursachte.

Wer von den Bauern Wald besaß, hatte eine Quelle sicherer Einkünfte, denn das Holz war Heizmaterial und Rohstoff für alle Gegenstände der bäuerlichen und gewerblichen Wirtschaft. Die Gemeinschaft der Einwohner war enger als in einer Metropole. Schon der altüberlieferte gemeinsame Besitz und die Nutzung der Allmende (den Gemeindebesitz an Wasser, Weiden und Wäldern) verlangte von jedem seine Teilnahme am Gemeindeleben.                                                   

 Das Leben ging in Worringen durch Generationen den gleichen Gang. Auf den Bauernhöfen saßen dieselben alteingesessenen Familien, alle miteinander verwandt. Der Worringer war von der Geburt bis zum Tode von den bewahrenden Kräften des Glaubens, der Sitte, des Brauchtums und der alten Ständeordnung begleitet. Der Bauer war der „arme Mann“, mit Steuern und Zinsen, mit Jagd- und Fuhrfronten für den Kurfürsten belastet. Frondienste konnten mit Geld abgelöst werden.

Beteiligte sich der Bauer auch, weil es ihn spürbar und sichtlich anging, am politischen Geschehen der Gemeinde, so wusste er doch wenig von der Gegenwart des lokalen politischen Geschehens oder gar von der überregionalen Politik. Wer lesen konnte, las in der Bibel evtl. in der Hauspostille.

Die Besetzung der linksrheinischen Gebiete im Jahr 1794 durch französische Truppen brach alsbald alte gesellschaftliche Strukturen und Normen auf. Die französische Revolution hatte nicht nur in Frankreich eine neue Ordnung von Staat und Gesellschaft begründet, sondern sie beeinflusste künftig auch wesentlich die Gestaltung der Verhältnisse im Rheinland.

Manfred Schmidt, August 2012