Vikarie (Kaplanei) am Breiter Wall 9
Schon lange hatten die Vikare über die Feuchtigkeit in der alten Vikarie an der „Alte Neusser Landstraße“ (* 1) geklagt. Es wurde daher der Beschluss gefasst, diese zu verkaufen (* 2) und eine neue Vikarie auf einem erworbenen Grundstück südlich der Kirche St. Pankratius zu bauen. Die Grundsteinlegung der Vikarie am „Breiter Wall“ (* 3) war Anfang April 1900. Sie wurde noch im gleichen Jahr errichtet, kirchlich eingesegnet am 14. Oktober 1900. Der Vorgängerbau auf dem Grund und Boden war wahrscheinlich ein kleiner Winkelhof neben der St.-Antonius-Kapelle (Abbruch im April 1900). Die Ausführung des Neubaus erfolgte durch die Worringer Handwerker Maurermeister Paul Detmer, Dachdeckermeister Caspar Sturm, Klempnermeister Paul Lutz, Schreinermeister Trösser und Glasermeister Lutz Severins.
Als erster Bewohner zog Max Merken (seit 1895 als Vikar in der Worringer Pfarrgemeinde wirkend) in die Vikarie ein, letzter Bewohner war Kaplan Franz Kruse. Nach seinem Auszug wurde die Vikarie vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1996 an den Caritasverband für die Stadt Köln e.V. vermietet. Franziskanerinnen des St.-Marien-Hauses in Waldbreitbach, die bereits von 1889 bis 1945 im Worringer Krankenhaus tätig waren, zogen nun in die Wohnräume ein, die mit ihrem Einzug auch eine Kapelle im Keller einrichteten. Ihr neuer Einsatzort war das Altenpflegeheim, das „Elisabeth-von-Thüringen-Haus“. Nach dem Auszug der Franziskanerinnen stand die Vikarie bis zum 30. April 1998 leer. In der Zeit vom 1. Mai 1998 bis 30. November 2008 wurde die Vikarie von der Familie des Rechtsanwalts Thorsten Bittner bewohnt. Während dieser Mietzeit sind verschiedene Untermietverhältnisse begründet worden. Seit dem 1. Dezember 2008 wird die Vikarie nicht mehr bewohnt. Der Kirchenvorstand „St. Pankratius Am Worringer Bruch“ beabsichtigt im Rahmen des Neubauprojekts „Wohnen an St. Pankratius“ auf dem Areal des bisherigen Jugendheimes
(* 4) auch die Vikarie mit neuem Leben zu erfüllen.
Auf Beschluss des Kirchenvorstandes sollte in der ersten Stufe das im Rahmen des Projekts „Zukunft heute“ nicht mehr geförderte Jugendheim ersetzt werden durch einen Neubau von 3 Stadthäusern im Rahmen einer Erbpacht-Regelung. Aufgrund der dramatisch fallenden Hypotheken-Zinsen bestand allerdings in der Vermarktungsphase bei Kaufinteressenten kein Interesse mehr am Abschluss eines Erbpachtvertrages, der aber aus Sicht der Kirchengemeinde zur Erzielung eines langfristigen Ertrages unverzichtbar war. Nach Ablauf einer entsprechenden Frist beschloss der Kirchenvorstand dieses Projekt aufzugeben und stattdessen in Eigenregie ein neues eigenes Entwicklungsprojekt aufzulegen.
Geplant ist ein Neubau von Senioren-Wohnungen. Unter Einbeziehung der Fläche der entmieteten Vikarie werden auf dem Gesamtareal insgesamt 12 Wohnungen entstehen, 9 im Neubauprojekt und 3 in der umgebauten Vikarie. Das Neubau-Projekt „Wohnen an St. Pankratius“ geht nunmehr in die Endphase. Die geringen Verzögerungen beruhen noch auf Abstimmungsprobleme zwischen Bauamt und Amt für Denkmalschutz der Stadt Köln. Die Maßnahme ist vom zeitlichen Vorgehen auch mit dem Caritasverband für die Stadt Köln e.V. abgestimmt, der im Rahmen des Neubaus „Elisabeth-von-Thüringen-Haus“ den künftigen Bewohnern der neuen Wohnungen ergänzende Betreuungs- / Service-Angebote unterschiedlichster Art anbieten wird
Ausgestaltung der ehemaligen Vikarie am „Breiter Wall“:
Zweigeschossiger Backsteinbau, Giebel mit vertieftem Rundfenster und Kreuzbekrönung, Eingang mit 4 Werksteinstufen, Wandöffnungen Segmentbogen, Fenstersohlbänke, Satteldach.
Innenausstattung: ornamentierter Fliesenboden,Treppe mit Antrittspfosten und umlaufendem Gelände Zimmertüren.
* 1 1663 als Hofstelle „Vicarius Erb“ aufgelistet. Wann die Schulvikarie in Worringen gegründet wurde, ist nicht bekannt. Aus einem Bericht an die Kgl. Reg. Kirchen- und Schulkommission vom 13. August 1819 , der wahrscheinlich auf einem Visitationsbericht des Erzstifts Köln vom 7. Juli 1695 beruht, geht hervor, dass Worringen eine St.-Anna-Vikarie mit Schulpflicht besaß. Das Domstift-Protokoll vom 17. August 1691 belegt eine Holzlieferung aus dem „Worringer Busch“ an die Schule.
* 2 Die alte Vikarie an der „Alte Neusser Landstraße“ zwischen „St.-Tönnis-Straße“ und „In der Lohn“ (heute durch Umbauten Anfang des 20. Jahrhunderts Wohnhaus mit Ladenlokal Alte Neusser Landstr. 256 - ehemals 1903 Bäckerei Johann Diefenbach, später Bäckerei Willi Bayer) wurde am 19. Februar 1900 an Johann Leufgen zum Preis von 4.600 Mark verkauft.
* 3 Die schräg verlaufende und abfallende Straße führt von der „St.-Tönnis-Straße“ zum „Schmaler Wall“. Sie weist vor der Einmündung in den Wall nach rechts eine kurze Abzweigung aus. Im Worringer Herrengeding vom 11. August 1768 wird sie als „neuer Brückenweg“ bezeichnet, hier findet sich auch der früheste Hinweis auf eine Bebauung. Mit der Verlagerung der drei domkapitularischen Höfe 1721 außerhalb der Umwallung setzte auch die allmähliche Erschließung des Terrains um die Höfe und somit auch des „Breiter Wall“ ein. Im frühen 19. Jahrhundert bezeichnete man das Gelände „An den Höfen“, ab 1836 „Breiter Wall“. Seit 1824 als öffentlicher Weg ausgewiesen, der nach 1898 ausgebaut wurde.
* 4 Der Kirchenvorstand beschloss am 16. Mai 1957 u.a. den Neubau eines Jugendheimes. Am 1. Oktober 1961 konnte es nach 17 Monaten Bauzeit im Rahmen einer Feier mit vielen Gästen seiner Bestimmung übergeben werden.
Manfred Schmidt, Juli 2014
Literaturquellen
Dagmar Hötzel: „Stadtspuren Denkmäler in Köln-Worringen und Roggendorf-Thenhoven, Siedlungsgeschichte bis 1914“, Köln 2002
Ausführungen von Günther Otten, Mitglied des Kirchenvorstandes