Bitte einmal voll tanken und Öl kontrollieren!
Die alte von Köln über Worringen (heutige „Neusser Landstraße“ und „Alte Neusser Landstraße“) nach Nijmegen führende, im Jahre 1764 erste in Worringen ausgebaute örtliche Landverbindung (* 1) wurde früher allgemein als „Cölnische Straße“ bezeichnet. Im 19. Jahrhundert gab es verschiedene Benennungen: „Cöln-Neußer-Provinzialstraße, Cöln-Neußer-Straße und innerhalb des Ortes „Worringer Hauptstraße“, im Sprachgebrauch die „Straß“ genannt.
Im Jahre 1909 sieht man ebenfalls in Worringen vielfach die „neuzeitlichen Errungenschaften“ der Technik, die im letzten halben Jahrhundert entstanden sind. Lastwagen, Autos, Motorräder und vieles andere gefährden den Verkehr auf der Neusser Landstraße, welche täglich von derartigen Verkehrsmitteln befahren wird.
Der „(Rheinische) Anzeiger“ berichtete im Februar 1935, trotz des damaligen verhältnismäßig geringen Verkehrsaufkommens, von wöchentlich mehreren schweren und schwersten Verkehrsunfällen im Ortsgebiet, vor allem auf der Neusser Landstraße. Hier besonders war der neuralgische Punkt die sog. Todeskurve bei der Gastwirtschaft „Minney“.
Bis zur Inbetriebnahme der Umgehungsstraße am 19. Februar 1938 wurde der gesamte Durchgangsverkehr über die „Worringer Hauptstraße“ geleitet. Infolge des stark angewachsenen motorisierten Verkehrs war diese als Hauptdurchgangsstraße dem Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen.
2012 wurde die in den 1960er Jahren eröffnete BP-Station an der St.-Tönnis-Str. 125, betrieben u.a. von Heinz-Jürgen Käuper aus Monheim mit Reifen- und Wartungsdienst, ab 1981 von Heinz Schirra, sozusagen im Handstreich abgebrochen. Nachdem 1985 der letzte Liter Benzin gezapft wurde, fristete sie zunächst ihr Dasein als Reparatur- und Wartungsservice, zuletzt als Kfz-Meisterbetrieb, dann als ungeliebte Immobilie. Über einige Jahre stand sie ungenutzt - oder auch nutzlos - herum (* 2) an einer Stelle, die einst eine wichtige Verkehrsverbindung in Richtung Venloer Straße über Roggendorf, Sinnersdorf und Pulheim für den heutigen Erftkreis war, soweit man diesen Begriff vor über 50 Jahren im teils ländlichen Stadtteil Köln-Worringen schon kannte. Die errichtete Tankstelle war auch eine aus dem Programm des damaligen Bundesverkehrsministers Seebohm, der bereits im Jahre 1951 festgestellt hatte, das an Landstraßen in Deutschland alle 10 Kilometer eine Tankstelle nötig wäre. Mit der Ölkrise in den 1970er Jahren musste ein erstes Tankstellensterben verzeichnet werden, dem in den letzten Jahren durch die erhöhten Auflagen zu Umwelt und Sicherheit ein weiteres folgte. Inzwischen geht der Hang zu eigenständigen Autohöfen (Großtankstellen) und weg von den Familienbetrieben mit angeschlossenem Pflegedienst bis hin zur Autoreparaturwerkstatt.
Aber schon lange vor Errichtung der BP-Station an der St.-Tönnis-Straße wurde Benzin verkauft. Seit der Erfindung des Automobils mit Verbrennungsmotor erfolgte der Absatz von Benzin und anderen Treibstoffen im deutschen Reichsgebiet zuerst in Apotheken (* 3). Anfang der 1920er Jahre wurden die ersten Tankstellen errichtet. In Worringen hatte Peter Glasmacher an der Alte Neusser Landstr. 216 eine Aral-Tankstelle, daneben noch ein Fahrradgeschäft. An einer sog. „Bürgersteigpumpe“ konnten die Worringer ihre Autos betanken lassen.
Gegenüber befand sich an der Alte Neusser Landstr. 183 die Tankstelle von Winand Boes (ursprünglich war dort ein um 1910 erbautes Wohnhaus mit angegliedertem Wirtschaftsgebäude, Korbmacherei). Im Jahre 1937 wurde die Tankstelle infolge Neubau einer Umgehungsstraße zur Neusser Landstr. 131 verlegt (Treibstoffe: Shell, Aral, Nitag und Gasoline). Später betrieben Tochter Katharina Boes und Schwiegersohn Franz Kluth aus Dormagen, danach ihr Sohn Winand Kluth die Aral-Tankstelle einschl. Reifendienst und SB-Waschanlage, ab November 1991 Christoph Thomis-Kluth. 2005 wurde der Tankstellenbetrieb infolge Unrentabilität und die SB-Waschanlage wegen verschärfter Auflagen im Landschaftsschutzgebiet Worringer Bruch eingestellt, danach lediglich Reifendienst und Autoservice. Während des Zweiten Weltkrieges wurden auf dem Gelände Panzer, Gelände- und Lastwagen der deutschen Wehrmacht abgestellt bzw. instand gesetzt.
Um 1930 betrieb Gerhard Meisenberg an der Neusser Landstr. 264 eine Autoreparaturwerkstatt und Tankstelle sowie Personen- und Lasttransporte. Kaspar Sturm hatte an der Neusser Landstraße 311 - 321 eine Shell-Tankstelle und einen Shell- Pflegedienst sowie eine Spezialwerkstatt mit einem Abschleppdienst und einer Fahrschule. Zugleich vertrieb er DKW-Automobile (später Opel-Vertragshändler) und Motorräder.
Weitere Tankstellen im Worringer Ortsbereich:
Die Aral-Tankstelle an der Neusser Landstr. 366 von Opel-Automobile Christian Odendahl (später Odendahl & Heise GmbH) und die BP- Station Helmut Massmann (später Arno Zirbel) an der Neusser Landstraße vor der ehemaligen EC Köln-Worringen gegenüber dem Worringer Hafen, der sich von der Einfahrt, die den Rhein im Norden bildet, wo die Verladeanlagen der Bayer-Werke sind, bis zu dem zur ehemaligen Rheinfähre führenden Weg im Süden hinzieht.
In den 1970er Jahren befand sich an der Hackenbroicher Str. 108 die Aral-Tankstelle Klaus Nadrag, um 1990 wurde der Betrieb eingestellt. Nach Abbruch der Aufbauten waren auf dem Gelände SB-Märkte, zunächst „Kontra“, später „Prima“ (Abbruch der Aufbauten des SB-Marktes „Prima“ im November 2012). Derzeit wird dort von der Wohn- und Bauleistung GmbH ein Neubau von 5 Doppelhaushälften und einem freistehenden Einfamilienhaus erstellt.
In Worringen konnten einst insgesamt 9 Tankstellen gezählt werden, von denen bis heute als einzige nur noch die „JET - SB Station“ an der Neusser Landstr. 323 (* 4) übrig blieb. In Erinnerung geblieben sind neben den großen bekannten Marken wie Aral, Esso und Shell aber auch Namen wie Caltex, Goldin, Gulf und Zebra. Viele können sich noch erinnern, dass der Preis für den Liter Benzin in den 1960 Jahren zwischen 50 und 60 Pfennig lag, Super-Benzin war 2 Pfennig teurer. Als die OPEC den so genannten zweiten „Ölschock“ ausrief und das Rohöl um durchschnittlich 10% verteuerte, stieg der Benzinpreis 1979 erstmals über 1 DM. Übrigens: Im Vergleich zu 1950 kostet der Sprit gegenwärtig etwa dreieinhalbmal so viel - im Verhältnis zum Lebenshaltungskosten-Index allerdings war der Sprit 1950 etwa 20% teurer als heute. Gemessen an den Einkommen musste man 1950 für den Sprit etwa fünfmal mehr ausgeben als gegenwärtig. Trotzdem sind die Energiekosten schon lange ein Reizthema und nicht wenige Autofahrer nehmen längere Anfahrten zur Tankstelle in Kauf, um 1 oder 2 Cent am Liter zu sparen.
* 1 Bürgermeister Bollig erließ auf Befehl des Domkapitels am 19. Oktober 1764 eine Verfügung über die Straßenreinigung, dass das Pflaster rein und sauber zu halten und der aufgestellte Mist wegzuschaffen sei und wöchentlich wenigstens einmal die Straße vor jeder Tür gekehrt werden müsse.
Durch den zunehmenden Straßenverkehr bedingt, wurden 1910 die Straßen „In der Lohn“ und 1911 die „Bergerstraße“ (heutige St.-Tönnis-Straße) gepflastert. Bis dahin befand sich nur die „Worringer Hauptstraße“ in einem verkehrsmäßig guten Zustand.
* 2 Um 2010 erfolgte die Übernahme des ehemaligen Tankstellengeländes durch den Investor Tuncay Sali. Nach Abbruch der Aufbauten im März 2012 wird dort derzeit ein Neubau eines mehrstöckigen Wohnhauses errichtet (Haus- und WEG-Verwaltung Hunsdorf).
* 3 Die erste Tankstelle der Welt war die Stadtapotheke von Wiesloch, wo Bertha Benz 1888 während ihrer Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim, die sie ohne Wissen Ihres Mannes Carl Benz mit dem von ihm gebauten Motorwagen Nr. 3 unternahm, ihre Benzinvorräte auffüllte.
* 4 Seit den 1970er Jahren befindet sich an der Neusser Landstr. 323 die „JET- SB Station Worringen“ Yüksel Servi, danach Regina Spalluto, vorher war dort die sog. „Freie Tankstelle“ Salm.
Manfred Schmidt, Juni 2014
Literaturquellen
Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss 2014 (2013) des “Kreisheimatbund Neuss e.V.“
Archivunterlagen des „Heimatarchiv Worringen e.V.“