Hexenverfolgung im 17. Jahrhundert - Wahn und Wirklichkeit
Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, vor allem während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648), wurde das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ von zahlreichen Hexenprozessen heimgesucht. Das Kurfürstentum Köln, hierzu gehörte u. a. auch die „Herrlichkeit Worringen“ bis zu den territorialen Neuordnungen in Auswirkung der „Französischen Revolution“ im Jahre 1789, war im 17. Jahrhundert die prozessintensivste Region. Das Erzstift wurde vom kurkölnischen Amt Hülchrath verwaltet, in dem der frühere Gillgau (oder Gilgau), Untergau des Kölngau, aufgegangen war. Worringen entwickelte sich seit dem 13. Jahrhundert mit den Dörfern Roggendorf und Thenhoven zur gleichnamigen Unterherrschaft mit eigener Gerichtsbarkeit. Um 1679 hatte Worringen nebst Haus Arff, Bergerhof und Piwipp 89, Roggendorf 18 und Thenhoven 19 Häuser. Mehr als 90 % der Bevölkerung waren in der Landwirtschaft tätig, als freie Bauern oder abhängige Pächter, aber auch Hörige, Leibeigene und Landarbeiter als Knechte und Mägde.
In der Publikation „Worringen - Bild eines rheinischen Dorfes“ von Josef Gödecke wird zur Worringer Ortsgeschichte für den Zeitraum im späten Mittelalter Folgendes angeführt:
„Aus dieser Zeit, in der noch Hexenverfolgungen stattfanden, ist uns durch
Jakob Sprenger überliefert ( ? ), dass am 27. Februar ( ? ) 1630 die Ehefrau des
Thomas von Worringen, Möhn Mechthild, wegen Hexerei verurteilt wurde.
Mit noch drei ( ? ) anderen Frauen hat man sie zu Melaten in Köln durch den
Henker stranguliert und verbrannt.“
Anmerkung:
Die Hinrichtungen wegen Hexerei auf Melaten im Jahre 1630 können von Jakob Sprenger nicht überliefert worden sein, da er (geboren 1435 in Rheinfelden im Kanton Aargau in der Schweiz) am 6. Dezember 1495 in Straßburg verstarb. Er war ein deutscher Dominikaner und Inquisitor. Bekannt ist Jakob Sprenger als angeblicher Koautor des mittelalterlichen Traktats »Hexenhammer«, das nach neueren Forschungen jedoch von seinem Ordensbruder Heinrich Kramer als alleinigem Autor geschrieben wurde.
HAStK Bl. 129 aus dem Turmbuch Best. 30G, 251 zur Möhn Mechthild
Über die Hexenprozesse aus dem 17. Jahrhundert, u. a. gegen Möhn Mechthild, sind im Historischen Archiv der Stadt Köln (HAStK) Verhörprotokolle überliefert. Am 27. März 1630 werden wegen Hexerei drei Hinrichtungen auf Melaten vorgenommen, die Opfer erst stranguliert, dann verbrannt: Möhn Mechthild, Frau des Thomas von Worringen / Aell Braun, Hebamme, verheiratet, 60 Jahre alt / Sophie Haas, 77 Jahre, Witwe des Grefrath aus dem Gasthaus zum „Hirtz“ [Hirschen]. Diese Hexenprozesse sind zwar bisher in der Literatur erwähnt worden, aber noch nicht näher erforscht. Im Verhörprotokoll der Möhn Mechthild finden sich nur ungenaue Angaben zu der Verdächtigen. Sie hat zwei Söhne, davon ist einer 26 Jahre alt. Der Ehemann Thomas von Worringen gibt 65 Jahre als Alter an. Sie wohnen in „Kaldenhausen“ (Aufenthaltsort nach dem ehemaligen Gutshof Kaldenhausen benannt), heute „Unter Kahlenhausen“ (im Volksmund abgekürzt UKH). Weitere Angaben zu Beruf oder Herkunft sind nicht zu finden. Laut Nachfrage beim HAStK steht Thomas von Worringen zu keinem anderen Kontext in der Datenbank. Er erscheint auch nicht in den Kölner Neubürgerlisten, hatte also nicht das Bürgerrecht. Das kann, muss aber nicht, für eine Zuwanderung vielleicht aus Worringen sprechen.
Am 14. März 1321 lässt der Rat der Stadt Köln das sog. „Erste Eidbuch“ anlegen, in dem alle wichtigen Artikel der Ratsverfassung schriftlich festgehalten sind. Mit dem Eidbuch wollen die Ratsherren die verfassungsmäßigen Vorschriften ordnen, die sich in den vergangenen Jahren angesammelt haben. Das 1355/56 begonnene Kölner Bürgerbuch enthält den „Eid der neuaufgenommenen Bürger“. Der Neubürger muss drei Jahre in Köln gelebt haben, bevor er gegen Zahlung von sechs Gulden das Bürgerrecht erhält. Eine Verkürzung der Wartezeit ist nur durch die Zahlung der doppelten Summe möglich. Wer in Köln das Bürgerrecht erwerben wollte, musste einen Harnisch vorweisen können. Geborene Kölner werden bei Erreichen der Volljährigkeit, die bei 20 Jahren liegt, automatisch und ohne Gebühr aufgenommen. Mit seinem Eid verpflichtet sich der neue Bürger, den Herren vom Rat und „yrer stde van Colne getruwe und holt zu sijn“ und die Stadt vor Schaden zu bewahren. Zudem müssen die neuen Kölner schwören, ihr Recht nur vor städtischen Gerichten zu suchen. Der Besitz des Bürgerrechts ist allerdings nicht zwingend vorgeschrieben, um von den städtischen Freiheiten zu partizipieren - zahlreiche „Eingesessene“ ohne Bürgerrecht stehen ebenfalls unter dem Schutz der Stadt.
Näheres zu den Hintergründen des Hexenprozesses gegen Möhn Mechthild konnte leider nicht umfassend ermittelt werden.
Verschiedene Kräfte haben dazu beigetragen, der kurkölnischen Verfolgung ihre Verbreitung und ihr Ausmaß zu verschaffen. In den Blick zu nehmen sind einmal die Elemente einer „Hexenverfolgung von oben“, d. h. der Kurfürst, der Hofrat als Zentralbehörde und die Hexenkommissare als Exekutivorgan. Von ganz eminenter Bedeutung sind jedoch zum anderen die Elemente einer „Hexenverfolgung von unten“, d. h. die Dorfgemeinden, die ortsansässigen Unterherren und die mittlere Ebene der Amtsleute und Kellner (Verwalter). Es waren die Ausschüsse, die selbsternannten Inquisitionsgremien der Dorfgemeinden, die via Hexenverfolgung „gemeindliche Macht“ demonstrierten oder gar erst aufbauten. Es zeigte sich im Rheinland, „dass ganz durchschnittliche Menschen auf dem Land die Jagd auf Hexen und Zauberer nicht nur akzeptierend hinnahmen, sondern aktiv beförderten, dass sie, nicht etwa blindem Wahn und obrigkeitlichen Hetzkampagnen folgend, Hexenverfolgungen gegen die eigenen Dorfmitglieder richteten, um der angeblichen Macht der Hexen eine gemeindliche entgegenzustellen“.
Die Hexenverfolgung in unserer Region belegt zwar nur einen geringen Ausschnitt aus dem Zeitgeschehen. Sie verweist aber nachhaltig auf die entscheidenden Auseinandersetzungen um territoriale Gewalt und Machtpositionen in dieser Zeit. Jahrhundertelang ging das Leben in der „Herrlichkeit Worringen“ durch Generationen den gleichen Gang. Auf den Bauernhöfen saßen dieselben alteingesessenen Familien, alle miteinander verwandt. Der Worringer war „von der Geburt bis zum Tode von den bewahrenden Kräften des Glaubens, der Sitte, des Brauchtums und der alten Ständeordnung“ begleitet. Der Bauer war der „arme Mann“, mit Steuern und Zinsen, mit Jagd- und Fuhrfronten für den Kurfürsten belastet.
In der Dokumentation einer medizinischen Topografie von Dr. Carl Anton Werres, in seiner Funktion als Kreisphysikus für die Behörden des Landkreises Köln heißt es um 1825:
Glaubensschwärmerei
„Mysticismus und Schwärmerey werden hier nicht leicht Gedeihen finden, wenn die Einwohner nicht auf einem hohen Grade der Geistes Cultur stehen. So sind sie, da es ihnen an einem geraden gesunden Menschenverstande doch gewiß nicht fehlt, so weniger zu dergleichen Ausartungen geneigt und empfänglich.“
Aberglaube
„Kömt inzwischen etwas von Aberglauben unter dem gemeinern Volke vor, so wird derselbe, da nicht allein aufgeklärte Pfarrer, sondern auch tüchtige Schullehrer fort mehr dagegen wirken, mehr und mehr verscheucht werden; ebenso verhält es sich mit etwaigen Vorurtheilen, deren jedoch keine sehr nachtheilige allgemein verbreitet sind.“
Physischer und moralischer Zustand der Einwohner
„Das gemeine Volk unterscheidet sich nicht von dem der übrigen cultivirten Länder; es hat immer mehr oder weniger Vorurtheile; doch hat sich der Glaube an Wahrsager, Gespenster und Zauberey seit dreyssig Jahren sehr verloren.“
Daraus eine Annäherung an hiesige Hexenverfolgungen in der „Herrlichkeit Worringen“ im 17. Jahrhundert zu schließen, bleibt vielfach Hypothese, solange nicht Auswertungen von Forschungsergebnissen vorliegen. Hexenprozesse gegenüber Verdächtigen sind bislang hier nicht bekannt.
Literaturquellen
Dr. Max Plassmann, Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK))
Dr. Thomas P. Becker: „Hexenverfolgung im Erzstift Köln“
Abbildungsnachweise
https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung
Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK)
Bericht: Manfred Schmidt
heimatarchiv-worringen.de/Juni 2018