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Myriametersteine - die Rheinstrom-Kilometrierung

Jedem Spaziergänger oder Radfahrer am Rheinufer sind schon einmal die großen, aus Betonplatten errichteten Tafeln über die Rheinstrom-Kilometrierung aufgefallen, wie diesen in der Nähe des Worringer Hafens mit der Kennzeichnung 709.

Die vollen Kilometer werden durch weiße, rechteckige Tafeln mit schwarzer Kilometerzahl, die halben Kilometer durch kleinere quadratische Tafeln mit schwarzem Kreuz auf weißem Grund und die zwischen diesen liegenden Hektometer (Hunderter) durch senkrecht stehende weißen Balken an den Ufern gekennzeichnet. Die Hektormeter sind durchnummeriert und tragen die Ziffern 1-4 und 6-9. Die heutige Kilometrierung des Rheins beginnt in Konstanz (Mitte der Rheinbrücke) mit 0,0 km und endet bei 1.032,800 km Hoek van Holland in die Nordsee.

                   

Weniger auffallend, und oft auch nur fußläufig schwer zu finden, ist eine ältere Vermessungsmarke, der sog. Myriameterstein. Ein Myriameter (griech. myria = zehntausend) entspricht 10.000 Meter, also 10 Kilometer.

Eine erste durchgehende Vermessung (Vermarkung) des gesamten Rheins kam erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf Anregung der „Central-Commission für die Rheinschifffahrt“ zustande. Mitglieder waren die Rheinanliegerstaaten Baden, Bayern, Frankreich, Hessen, Nassau, Holland und Preußen. Damals wurden ab Basel auf beiden Ufern entlang in einem Abstand von jeweils 10 km Vermarkungssteine gesetzt. Preußen (wozu auch die Bürgermeisterei Worringen gehörte) beendete bis 1909 seine Arbeiten und legte im Protokoll von 1910 die Ergebnisse amtlich fest. Die Steine aus Ibbenbürener Sandstein bestehen zumeist aus einem 60 x 60 cm großen und 80 cm hohen Sockelstein, der zumeist außerdem noch 60 cm tief eingegraben ist, und der oben mit einer 5 cm breiten und hohen Fase an den beschrifteten Stein anschließt. Die Rheinseite trägt die Nummer des Steins in römischen Ziffern. Darunter beschreibt die Angabe AP die Höhe des Vermessungssteins über dem Amsterdamer Peil (Amsterdamer Pegel, entspricht NN). Landseitig wurden die Entfernungen von Basel und bis Rotterdam (= 824,450 km) angegeben. Weiterhin sind tal- bzw. bergseitig die Entfernungen zu den nächsten Landesgrenzen vermerkt. Ursprünglich waren alle zehn Kilometer beidseits des Rheins schwarz-weiß angestrichene Steine gesetzt. Sie wurden ab 1883 durch Landeskilometrierungen ersetzt. Übergangsweise waren sie bis 1890 gültig. Heute werden sie z. T. noch als Festpunkte der Landesvermessung genutzt.

                   

Viele Myriametersteine wurden mittlerweile, etwa bei Bauarbeiten, entfernt. Manche wurden von den örtlichen Heimatvereinen restauriert und an einer markanten Stelle wieder aufgestellt. Heute sind nur noch etwa 70 Myriametersteine zwischen Basel und der Landesgrenze zu den Niederlanden erhalten.Doch wo sind nun die in mühsamer Arbeit eingemessenen und aufgestellten Myriametersteine? Da die Messergebnisse des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sehr genau waren, haben sie auch heute noch einen festen Platz im Messkataster und stehen im ehemalig preußischen Bereich immer bei km ..7,480. Die Steine sind gerade gegenüber paarweise zu betrachten, da ihre Verbindungslinien an der Kreuzung mit der Stromachse den Messpunkt ergeben. Von diesen sog Myriametersteinen sind u.a. linksrheinisch in Dormagen, Stadtteil Zons auf dem Sommerdeich Rheinkilometer 717,480 (Steinnummer LV = 55) sowie rechtsrheinisch in Monheim, Stadtteil Baumberg Rheinkilometer 715,72 (ursprünglich im Naturschutzgebiet Baumberger Aue) an der Klappertorstraße (Steinnummer LV = 55) und

Monheim Rheinkilometer 713,82 (ursprünglich im alten Ortsteil Blee) an der Kapellenstraße gegenüber dem Heimatmuseum (Steinnummer LIV = 54) erhalten geblieben.

                   

Der Myriameterstein bei Rheinkilometer 707,480 südlich von Worringen (im „Langeler Frasen“) wurde im Jahr 2004 von Christian-Eike Hiersemenzel, Kreisheimatbund Neuss e.V., liegend in zwei Bruchstücken auf den Rheinwiesen aufgespürt. Er stellte fest, dass die beiden Teile zuletzt untereinander mit drei Dübeln verbunden waren. Leider sind diese gegenwärtig nicht mehr auffindbar. Kontakte mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt in Duisburg bzw. in Köln sowie der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) werden diesbezüglich über den Verbleib aufgenommen. Es ist anzunehmen, dass die Bruchstücke unbewusst entsorgt worden sind. Im Zuge des Aus- / Neubaus des Godorfer Hafens betrieb die HGK (2008 bis 2009) die sog. Revitalisierung der am Rheinufer liegenden Worringer Wiesen- und Ackerflächen als Ausgleich zu diesem Eingriff. Im Rahmen der möglichen Naturschutzmaßnahmen wurde für das Worringer Rheinufer ein zentrales Leitbiotop angestrebt, welches eine naturnahe gestaltete Hochflutrinne mit natürlicher Uferzone mit sich ziehen sollte. Für den Abtransport von insgesamt 80.000 m³ Erdboden waren 12.000 LKW-Fahrten erforderlich. Der Erdboden wurde übrigens für den Aufbau des Lärmschutzwalls an der A 1 in Köln-Widdersdorf verwendet.

                   

Nach Informationen des „Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Rhein“ hatte der Vermessungsstein bei Rheinkilometer 707,480 folgende Beschriftungen:

Wasserseite

Nummer des Steins (in röm. Ziffern) LIV = 54 * 1

Angabe der Höhe über Amsterdamer Pegel 39,644 m über AP * 2

Landseite

Entfernung von Basel 540,000 km * 1

Entfernung bis Rotterdam 284,450 km

Bergseite

Entfernung von der Landesgrenze 177,780 km

Hessen - Preußen

Talseite

Entfernung bis zur Landesgrenze 154,464 km

Preußen - Holland

Auch wenn die Myriametersteine im 21. Jahrhundert keinen „Wert“ mehr haben, so sind sie doch Symbole des Fortschrittes ihrer Zeit und sollten als erhaltenswerte Objekte unter Denkmalschutz gestellt werden. Im Regierungsbezirk Düsseldorf und im Landkreis Mainz-Bingen wurden sie bereits in die Denkmalliste aufgenommen.

* 1 Die fortlaufende Nummer des Steines steht auf der Wasserseite in römischen Ziffern,

hier LIV = 54 entsprechend der Entfernung von 540,000 km bis Basel.
* 2 Die gemessene Höhe stammte aus dem Jahr 1908. Die Höhenangabe im Jahr

1976 belief sich auf 39,592 m.

Für die Wasserbauingenieure war nicht nur die Flusslänge von Interesse, sondern auch das Flussgefälle; denn mehr Gefälle ergibt schnelleren Wasserfluss und damit mehr Sandtransport zur Tiefenerhaltung, bedeutet aber auch mehr Kraftbedarf für den Stromverkehr.

 

Manfred Schmidt, November 2014

Literaturquellen

Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss 2005 (2004) des „Kreisheimatbund Neuss e.V.“