Kopf HW 2   Kopie 2

Lengscheskreuz - Pilgramskreuz (* 1)

 

Steine, Felsen, Monolithe, Dolmen usw. werden heilig dank der geistigen Macht, deren Zeichen sie tragen. Kultsteine sind Zeichen und künden immer von einer transzendenten Realität. Sie bedeuten immer etwas, das den menschlichen Bereich überschreitet.

                                                                                       

Das heute als Pilgramskreuz mit Corpus und Kreuzbalken bezeichnete Denkmal befindet sich an der Kreuzung „Hackenbroicher Straße“ und „Bitterstraße“. Obwohl durch Verlegung der Straße versetzt, steht es als einziges der Worringer Feldkreuze des 18. Jahrhunderts ungefähr an alter Stelle. Später als die anderen Denkmale geschaffen, fehlt es als Bezugspunkt in den Landvermessungen der domkapitularischen Höfe von 1757. Das Kreuz stand einst im Schatten eines uralten mächtigen Lindenbaums, des sog. „Lengsches“, welches schon im Worringer „Boorbuch“ (* 2) im Jahre 1553 erwähnt wurde. Nach diesem Baum bezeichnete man das angrenzende Feldstück „Lintgenfeld“ (* 3), das als Teil des domkapitularischen Hauptzehnten gesondert in Pacht gegeben wurde. Ein heftiger Sturm in den frühen Morgenstunden des 2. Mai 1979 fällte den über 425 Jahre alten Lindenbaum und beschädigte das Kreuz. Dank der tatkräftigen Unterstützung eines Wohnungsunternehmens wurde das Kreuz renoviert und am 18. Dezember 1979 ein neuer etwa 25 Jahre alter Lindenbaum an die Stelle des alten, im Sturm zusammengebrochenen „Lengschesboom“ eingepflanzt.

                                                                            

Folgende Inschrift gibt uns Kunde über die Stifter und das Jahr der Errichtung des 3,25 m hohen und 0,52 m breiten, aus Trachyt gebildeten Wegekreuzes:

                                                AD 1780 JOHANNES
                                                TUNWALT ANNA MARIA
                                                POTENHEIMS PILGERAMS (* 4)
                                                HALBWINER DAS CREUTZ (* 5)
                                                LASSEN AUFRICHTEN

Der Pilgramshalfe Johannes Tunwalt (aus dem Namen ist unzweifelhaft der in Worringen oft vorkommende Name „Dünwald“ geworden) und seine Frau Anna Maria Potenheims (Bodenheim) erhielten vom Kölner Domkapitel am 29. Januar 1772, nochmals am 24. Dezember 1783 erwähnt, das „Lintgenfeld“ in Pacht. Der Anlass der Kreuzstiftung von 1780 ist unbekannt, zweifelsohne spielte die Absicht, den wertvollen Pachtbesitz zu markieren, dabei eine wesentliche Rolle. Ob es schon ein Vorläuferkreuz an der Linde gab, worauf ein Landverkauf vom 7. März 1756 hinweist, konnte nicht näher bestimmt werden.
Der zweite Teil der Inschrift beinhaltet das Chronogramm:

                                               ERRICCHT VON EHLEUT
                                               HEINRICH BITTER V ANNA
                                               GERTRUD DHAMEN

Es heißt also, dass das Kreuz noch einmal, und zwar 76 Jahre später, von Heinrich Bitter und Anna Gertrud Dhamen (Dahmen) aufgerichtet wurde. Zählt man die übergroß eingemeißelten Buchstaben zusammen, die gleichfalls römische Ziffern des Schriftfeldes sind, so ergibt sich aus dem Chronogramm die Jahreszahl der Errichtung des Kreuzes, und zwar 1856 (* 6).
Der Wiederaufbau lässt sich dadurch erklären, dass das Denkmal als religiöses Wahrzeichen vermutlich während der Franzosenherrschaft (1794 bis 1814) entfernt werden musste. Aus dieser Zeit soll auch der metallene Corpus Christi stammen.

                                                                                      
* 1 Linde oder Lindchen
Das „Lengscheskreuz“ war früher ein beliebter Worringer Treffpunkt sowie Rastplatz der Pilger und darüber hinaus der Standort eines der sog. Fußfälle.
* 2 Bauernbuch, welches das Nachbarn- und Bauernrecht mit Maßnahmen regelte
* 3 Landvermessung des Fronhofes vom 30. August 1661
* 4 Johannes Tunwalt und Anna Maria Potenheims erhielten den Ehedispens am 19. Januar 1754. Nach einer Notiz im “Mischbuch“ über Sterbeeintragungen, Tauf- und Heiratsvermerke der Pfarrei Worringen stirbt am 4. Februar 1795 kurz vor Mitternacht Johannes Tunwalt, Verwalter auf dem Pilgramshof. Er wird als „Scabinus Subsenior“ wörtlich „Schöffe Unterältester“ bezeichnet, was wohl soviel wie stellvertretender Gerichtsvorsitzender bedeutet.

* 5 „Pilgrams Halbwiner“ bedeutet so viel wie Teilbauer oder Teilpächter auf dem Pilgramshof

* 6 CCL = 100 + 100 + 50 =   250
      CIV = 100 + 1 + 5       =   106
      DM = 500 + 1000       = 1500
                                          1856

Literaturquellen
Dagmar Hötzel: „Stadtspuren Denkmäler in Köln-Worringen und Roggendorf-Thenhoven, Siedlungsgeschichte bis 1914“, Köln 2002
Fotos Heimatarchiv Worringen

Manfred Schmidt, September 2014